„Was in einer Vakanzzeit wachsen kann“ – der Impulsvortrag von Kirchenrat Michael Wolf aus München eröffnete eine neue Sicht auf Kirchengemeinden, die eine Weile ohne Hauptamtliche auskommen müssen. Um sich über Aufgaben, Chancen und Verantwortung des Kirchenvorstands nicht nur in einer Vakanzzeit auszutauschen, dazu waren in Gräfendorf über 30 Kirchenvorsteherinnen und Kirchenvorsteher aus dem weitläufigen evang. Dekanatsbezirk Lohr zusammengekommen.
Lebendig brachte Michael Wolf, Referent für Gemeindeentwicklung aus dem Landeskirchenamt, seine Erfahrungen aus drei Jahren als Pfarrer der lutherischen Kirche auf der Krim ein. „Nach der Sowjetzeit tauchten die Gemeinden allmählich wieder aus der Illegalität auf. Die Gemeindeglieder waren gewohnt, ohne Pfarrerin oder Pfarrer klarzukommen. Ich habe die Gemeinden dort als äußerst selbstbewusst und weniger pfarrerzentriert erlebt als hier in Bayern.“
Die Vakanz als Chance zu sehen – was wie Schönrederei klingt, hat durchaus Substanz. Eine Vakanz biete den Anlass, um neu auf Gott und Menschen zu hören. Auszeiten seien nicht nur im persönlichen Leben, sondern auch für Gemeinden Gelegenheiten zur Reflexion, zum Durchschnaufen. Geringere Kräfte mobilisierten oftmals auch einen gesunden Trotz: „Wir packen das!“. Michael Wolfs kurzweiliger Vortrag profitierte auch von seiner Zeit im Amt für Gemeindedienst: Er erzählte von Vakanzen, die neue Gemeindeschwerpunkte zu Tage brachten. Dekan Till Roth, Lohr, berichtete bestätigend, dass in der Kirchengemeinde Marktheidenfeld ausgerechnet in der Vakanz eine neue Gottesdienstform eingeführt worden sei. Entstehender Freiraum könne kreativ gefüllt, das Selbstverständnis Ehrenamtlicher neu gefunden werden.
Der Blick über den Tellerrand war so inspirierend, dass Pfarrerin Sabine Schlagmüller, Pfarrei „Im Sinngrund“, die erlebte Vakanzfreiheit in ihrem Seelsorgegebiet nachdenklich hinterfragte. Dort hatten die beiden selbstständigen Kirchengemeinden Mittelsinn und Burgsinn nahtlos nach dem Ruhestandseintritt des Mittelsinner Pfarrers eine neue Pfarrei gebildet, eine Vakanz gab es nicht. Könnte eine Brachzeit, eine Sabbatphase vielleicht gefehlt haben? Dass aus der Burgsinner Pfarrerin jedenfalls bereits die Pfarrerin beider Kirchengemeinden wurde, war dem Mittelsinner Kirchenvorsteher Werner Henning abzuspüren: „Unsere Frau Pfarrerin macht das sehr gut.“ Diese spontane Wertschätzung nahm Dekan Roth anerkennend auf: „Es macht deutlich, was da bereits gewachsen ist.“
Im Herbst geht in der Evang.-Luth. Kirche von Bayern die sechsjährige Kirchenvorstandsperiode zu Ende: im Oktober wird neu gewählt. So gab es beim KV-Tag auch Gelegenheit zur Rückschau und zum persönlichen Ausblick – hoffnungsvoll, aber auch skeptisch. „Es muss Raum geben, Sorgen zu teilen und an der Klagemauer zu stehen“, so Dekan Roth. Der Tag an sich, die Impulse und dekanatsweite Vernetzung wurden als Zeichen von Hoffnung empfunden.